FAQ
FAQ: Projektallianz im Allgemeinen
A.1 Warum braucht es ein Modell „Projektallianz“?
Bauen wird vielerorts zunehmend komplexer. Damit die Ziele eines Projektes nachhaltig, möglichst effizient und effektiv erzielt werden können, braucht es Organisationsmodelle bei welchen der Bauherr, die Planer und die Unternehmer sich frühzeitig auf die gemeinsam zu erreichenden Ziele einigen und diese dann auch partnerschaftlich umsetzen.
Das Allianzmodell erlaubt es die Schlüsselpartner im Projekt frühzeitig in dieses einzubinden und richtet die Interessen alle Partner auf den gemeinsamen Projekterfolg aus.
A.2 Was sind die zentralen Nutzenargumente für Planen und Bauen in Projektallianzen?
- Die zu erreichenden Ziele werden gemeinsam vereinbart und die Zielerreichung wird gemeinsam angesteuert. Dadurch wird das Erreichen der Projektziele generell positiv beeinflusst.
- Durch die frühe Einbindung der ausführenden Unternehmer in den Planungsprozess wird das Umsetzen innovativen Lösungen gefördert.
- Alle gewinnen (oder verlieren) gemeinsam.
- Dadurch wird die ganze Energie von allen Beteiligten lösungsorientiert zu Gunsten des Projekts investiert.
- Allianzprojekte sollen kostenstabiler, effizienter, effektiver und damit wirtschaftlicher und nachhaltiger geplant und realisiert werden.
- Durch die erhöhten Mitgestaltungsmöglichkeiten und den gemeinsamen Erfolg werden Mitarbeiter/innen motiviert. Dadurch erhöht sich die Attraktivität der gesamten Branche, was der Förderung des Nachwuchses helfen sollte.
A.3 Was sind die Voraussetzungen für das Planen und Bauen in Projektallianzen?
Folgende Grundvoraussetzungen müssen gegeben sein, damit der Einsatz eines Allianzmodells sinnvoll:
- Bereitschaft zu einem grundlegenden Kulturwandel verbunden mit einem neuen Rollenverständnis in Bezug auf die gemeinsame Planung und die Realisierung des Projekts. Die Allianzpartner müssen sich als Wertschöpfungspartnerschaft verstehen, welche sich als gleichwertig betrachten, welche sich auf die gemeinsam festgelegten Ziele verpflichten und die Risiken für die Planung und die Realisierung gemeinsam tragen.
- Dieses Verständnis muss von der gesamten Projektorganisation aber auch vom Investor mitgetragen werden.
- Der Bauherr muss sich in einer Projektallianz als gleichwertiger Partner zu seinen Realisierungspartnern in den Planungs- und Realisierungsprozess einbringen. Dazu muss er über genügend kompetentes Personal verfügen, welches die erforderliche Fach- und Sozialkompetenz mitbringt. Eine Auslagerung der Schlüsselaufgaben des Bauherrn an Dritte ist in einer Projektallianz nicht zielführend.
A.4 Für wen sind Allianzmodelle geeignet?
Für alle Willigen seien dies Bauherren, Planer oder ausführende Unternehmer. Das Modell richtet sich uneingeschränkt auch an kleine und mittelgrosse Unternehmen. Bei Bauherren, welche das Allianzmodell auslösen wollen braucht es hinreichende Kenntnisse über das Allianzmodell, damit dieses funktioniert.
A.5 Wo ist das Allianzmodell nicht geeignet?
Für Bauherren, welche kein Bekenntnis zur Allianz als Wertschöpfungsgemeinschaft unter gleichwertigen Partnern mit gemeinsamer Risikotragung abgeben, ist das Allianzmodell sicher nicht geeignet.
Das Allianzmodell ist insbesondere dort nicht geeignet, wo ein übermässige Bauherrenrisiken Risiken einseitig auf die Auftragnehmer abgeschoben werden sollen.
Das Allianzmodell kann nicht als Allheilmittel betrachtet werden, welches Projekte in absehbarer oder bereits vorhandener Schieflage rasch retten soll.
A.6 Zu welchem Zeitpunkt startet das Planen und Bauen in Projektallianzen?
Die strategische Planung des Bauherrn muss so weit vorliegen, dass er sein Vorhaben mit der gegebenen Klarheit funktional beschreiben kann.
Der genaue Einstieg in die Projektallianz ist von jedem einzelnen Projekt abhängig. Dieser kann bereits nach dem Abschluss der Vorstudienphase erfolgen oder aber auch erst in der traditionellen Ausschreibungsphase vor dem Beginn der Realisierung (reine Ausführungsallianz).
Das Merkblatt SIA 2065 ist innerhalb dieses Rahmens offen für einen beliebigen Zeitpunkt zum Einstieg in eine Projektallianz.
A.7 Welche Rolle nehmen die Realisierungspartner in der Genehmigungsphase ein?
Diese Frage stellt sich nur in jenen Fällen, wo die Allianz bereits vor dem Genehmigungsverfahren gebildet wird. Auf reine Ausführungsallianzen trifft diese Frage nicht zu.
Im Genehmigungsverfahren ist und bleibt der Bauherr der Gesuchsteller und der Empfänger für die Baubewilligung / Plangenehmigung.
Die Realisierungspartner aus den Planungsphasen verbleiben im Projekt. Sie unterstützen den Bauherrn im Genehmigungsverfahren (ev. zusätzliche Nachweise, Einspracheverfahren) und setzen allfällige Auflagen aus dem Genehmigungsprozess im Projekt um. Das Projektrisikomanagement ist in dieser Zeit zu intensivieren und die Strukturen für die Bauausführung sind zu schaffen damit ein möglichst schneller Baustart nach dem Erlangen der Rechtskraft der Baubewilligung gewährleistet ist.
Die Realisierungspartner sind somit auch während der Genehmigungsphase essenzielle Partner in der Projektallianz.
A.8 Für welche Marktsegmente eignet sich das Modell Projektallianz?
Projektallianzen eignen sich grundsätzlich für den öffentlichen und den privaten Bau, sowie für den Hoch- wie auch für den Tiefbau.
Aus den bisherigen Erfahrungen im Ausland lässt sich herleiten, dass Projektallianzen für die folgenden Projektkategorien besonders gut geeignet sind:
- öffentliche und private Projekte im Hoch- und Tiefbau, bei denen die Investor bzw. die künftigen Nutzer wegen der Komplexität der Projektanforderungen einen starken Einfluss auf die Projektierung und die Realisierung haben wollen.
- Voraussetzung dazu ist, dass die Bauherrenvertretung über die entsprechenden personellen Ressourcen verfügt und gewillt ist in eine gemeinsame Projektsteuerung mit gemeinsamer Risikotragung einzutreten.
A.9 Wie kann eine partnerschaftliche Projektkultur überhaupt entstehen?
Grundvoraussetzung für eine partnerschaftliche Projektkultur sind primär die korrekt formulierten wirtschaftlichen Anreize:
- Auskömmliche Zielkosten mit angemessener finanzieller Risikovorsorge
- konsequentes Umsetzen des Prinzips der gemeinsamen Risikotragung,
- angemessene Beteiligung am Mehr-/Minderkostenrisiko durch alle Allianzpartner unter Berücksichtigung derer Risikotragfähigkeit
A.10 Wie bleibt die partnerschaftliche Projektkultur über die Projektdauer erhalten?
Wenn die Voraussetzungen gemäss Frage A.9 geschaffen sind, bleibt die partnerschaftliche Projektkultur nur dann erhalten, wenn sie über die gesamte Dauer der Projektallianz täglich und in allen Gremien gelebt wird.
Die gelingt nur dann, wenn im Allianzteam Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz und das Verständnis für die Zusammenarbeit als gleichwertige Partner auf Augenhöhe herrschen.
Alle Allianzpartner müssen sich bewusst, dass diese Anforderungen zarte Gebilde sind. Ein einziger kräftiger Verstoss gegen diese Anforderungen kann die Basis (.z.B. das Vertrauen) für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit dauerhaft beschädigen, bzw. zerstören.
Um das Verständnis der Allianzpartner für diese Zusammenhänge zu fördern, kann es Sinn machen, die Voraussetzungen für eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit in einer Projektcharta, bzw. in einem Wertkodex projektspezifisch niederzuschreiben.
A.11 Macht sich jeder Allianzpartner von dem Ergebnis des Planens und Bauens abhängig?
Der individuelle Erfolg bzw. Misserfolg eines jeden Allianzpartners hängt vom kollektiven Erfolg der Allianz bzw. des Gesamtprojektes ab.
Das Erreichen des Projekterfolgs wird dabei von allen Allianzpartner entsprechend ihrer Rolle und Aufgabe direkt beeinflusst.
“Abhängigkeit” besteht im Sinne vom Erreichen des gemeinsamen Erfolgs / Misserfolgs beim Erreichen der gemeinsame Projektziele, an welchem sich alle Allianzpartner im Rahmen ihres Leistungsumfangs und der vereinbarten Risikotragfähigkeit beteiligen.
A.12 Welche finanziellen Risiken trägt jeder Realisierungspartner?
Risiken werden im Allianzvertrag abgesehen von Absicht und Grobfahrlässigkeit grundsätzlich gemeinsam getragen.
Ein finanzielles Risiko entsteht nur dann, wenn die Zielkosten überschritten werden. Sollte dieser Fall Eintreten beteiligt sich jeder Realisierungsunternehmer im Rahmen des Allianzvertrags unter Berücksichtigung seiner Risikotragfähigkeit festgelegten Quote der Mehrkosten.
Im Allianzvertrag wird ein Grenzwert festgelegt, ab welchem der Bauherr die finanziellen Risiken bei einer Zielkostenüberschreitung alleine trägt.
A.13 Welche Lösung ist vorgesehen, wenn die durch die Allianz nach der Planungsphase ermittelten Zielkosten bereits oberhalb des Budgets des Bauherrn liegen?
Zuerst gilt es zu ergründen, wieso die Zielkosten überschritten worden sind.
Um das Problem zu lösen, gibt es je nach Ursache die folgenden Handlungsspielräume:
- Weitere Projektoptimierungsrunden mit den Realisierungspartnern
- Modifikation des Projektumfangs im Rahmen der Möglichkeiten des Bauherrn
(Prinzip ‚design to cost‘) - Allfällige Diskussion mit dem Investor über eine zusätzliche Mittelbeschaffung
- Verzicht auf das Projekt
Ein Umschwenken auf ein traditionelles Organisationsmodells kann kurzfristig zu tieferen Kosten führen, weil in solchen Modellen die Risiken oft tiefer oder gar nicht bewertet werden. Beim Eintritt von Risiken ist dann aber bis zur Schlussabrechnung mit einer entsprechenden Kostensteigerung zu rechnen (Claims). Der Wechsel der Organisationsform des Projektes dürfte deshalb kaum zielführend sein.
A.14 Welche Aspekte eines konkreten Projektes sollen im Rahmen des Allianzmodells Beachtung finden?
Das ist projektindividuell auf der Basis des Pflichtenhefts des Bauherrn und seiner Risikoanalyse festzulegen.
A.15 Welche Verhaltensweisen und welche Vertragsabreden widersprechen dem Allianzmodell gemäss dem SIA Merkblatt 2065?
Nachfolgend sind einige beispielhafte Punkte aufgeführt:
Jegliche Regelungen und Verhaltensweisen, welche das gegenseitige Vertrauen stören und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit abträglich sind, sollen vermieden werden. Vertrauen wird u.a. durch einen Mangel an Verlässlichkeit, Offenheit und Transparenz zerstört.
Verdeckte Sonderkonditionen von Subunternehmern und Lieferanten an einzelne Realisierungspartner zerstören das Vertrauen und damit die Basis einer Projektallianz
So sollen z.B. von Bauherrenseite keine einseitigen und asymmetrischen Risikoregelungen zu Ungunsten der Realisierungspartner eingebaut werden.
Der Einbau von Garantieansprüchen, ohne einen Nachweis der Berechtigung über eine Risikoanalyse, sind zu unterlassen.
A.16 Wie viele Realisierungspartner wird es in einer Allianz geben?
Diese Frage ist projektspezifisch zu beurteilen. Zwischen dem Hoch- und dem Tiefbau gibt es hier oft stark unterschiedliche Randbedingungen.
Es ist jedoch darauf zu achte, dass die Entscheidungsgremien über eine sinnvoll begrenzte Anzahl an Personen verfügen um handlungsfähig zu bleiben.
A.17 Wer übernimmt in einer Projektallianz die Ausführungsprojektierung?
Auch in der Projektallianz gilt der Grundsatz: „Der Planer plant; der Unternehmer baut.“
Die projektspezifische Ausgestaltung dieses Grundsatzes in Abhängigkeit von Qualifikation und Kapazitäten der einzelnen Realisierungspartner ist durch das Allianz-Managementteam festzulegen. Die Frage ist im Rahmen der Zuteilung der verschiedenen Leistungspakete im Vorfeld des Abschlusses des Allianzvertrags einlässlich zu diskutieren und zu klären.